Ich werde immer wieder darauf hingewiesen, dass ich ausgesprochen wertschätzend lese und den Menschen scheinbar nur schöne Dinge über sich sage. Kritiker nennen das dann sogar „Schönmalerei“ und glauben anmerken zu müssen, dass man sich auch seiner Schwächen bewusst zu sein hat. Mal abgesehen davon, dass ich überzeugt davon bin, dass sich der typische Mensch in unseren Breitengraten sehr viel bewusster über seine Schwächen als über seine Stärken ist, wird dem aufmerksamen Zuhörer auch immer mal eine kleine Warnung oder ein zu umgehender Stolperstein ins Ohr fallen. Ich schaue ganz und gar nicht „schönmalend“ auf mein Gegenüber. Ich lege meinen Fokus lediglich auf die Stärken des Menschen und schaue mir die gewinnende Seite – also die Chancen – der Medaille an.
Eine grundlegende Frage
Ich habe für mich und unser Team als Ziel definiert, dass Gesichtlesen dabei unterstützen soll, seine Persönlichkeit zu entwickeln und Frieden und Harmonie in sich selbst zu spüren. Nur daraus kann auch ein friedvoller Umgang mit anderen entstehen und dabei dient mir die Stärkenorientierung. Andere haben vielleicht das Ziel, ihr Gegenüber zu durchschauen oder sogar sich seiner in welcher Form auch immer zu ermächtigen – was auch als Manipulation verstanden werden kann. Ich kenne auch einige Menschen, die das Gesichtlesen nutzen um ihr Ego aufzumöbeln und sich dabei der guten alten Angst- & Machtstrategie bedienen (der Schmerznerv muss getroffen werden, damit es Wirkung zeigt). Und ganz sicher gibt es auch eine Menge wohlwollende Einsatzgebiete bei denen die Stärkenorientierung nicht von Nöten ist.
Rückenwind oder Gegenwind
Menschen kommen in der Regel zu uns weil sie sich Klarheit, Verstehen und Entwicklung wünschen. Der Wunsch nach Wachstum ist da, beziehungsweise irgendetwas im Wohlbefinden ist gehemmt.Jetzt gibt es zwei große Wege: Der eine verfolgt das Ziel die Schwächen zu kontrollieren oder zu korrigieren. Der andere führt zu den aktionsbereiten Stärken.
Das Schwächen-abschwächen ist für mich wie Rennradfahren mit Gegenwind. Da ist ein großer Widerstand, der mich ausbremst, es ist anstrengend und kostet immens viel Energie. Schlechte Laune gibt es als Bonus dazu. Lasst es uns an einem Zahlenbeispiel betrachten: die Geschwindigkeit in der ich mich voller Anstrengung bewege, liegt bei 12,8 km/h. Wenn ich mich umdrehe und in dem gleichen Wind fahre, erreiche ich eine Geschwindigkeit von 48 km/h. Stärken stärken ist wie Rückenwind – es geht um Leichtigkeit, Energieeinsparung, Schnelligkeit und Freude.
Ich möchte meinem Gegenüber Rückenwind durch sich selbst geben. Es geht für mich um den Weg des „Hin zu“ und nicht des „Weg von“. Die Hin-zu-Energie weckt Leichtigkeit, Zuversicht und Freude. Die Weg-von hat eine „Nein-Energie“.
Ich schaue also auf die Persönlichkeitseigenschaften mit der Frage: „Wie kannst du zu deinem eigenen Rückenwind werden?“. Gefahren und Schattenseite stelle ich mir als „Schlaglöcher“ auf der Straße vor und suche in der Persönlichkeit nach Möglichkeiten, sie zu umgehen. Das Ziel ist eine Erhöhung des individuellen Wohlbefindens, das sich auf so unterschiedliche Weise bei Menschen einstellen kann.
Ein simples Beispiel:
Wenn wir als Gesichtleser engstehende Augen sehen, dann glauben wir zu wissen, dass wir es mit einem fokussierten Menschen zu tun haben, der konzentriert an bestimmten Sachverhalten arbeitet. Ihn umgeben aktive, intensive und nach innen gerichtete Vorstellungen. Damit einher geht sicherlich ein verengtes Blickfeld, das auch mit Engstirnigkeit und Sturheit übersetzt werden könnte.
Jetzt kann ich sagen: „Du bist schon ziemlich stur und solltest daran arbeiten, sir ein bisschen mehr Weitblick anzuschaffen.“ Oder aber ich sage: „Deine Stärke ist es, Aufgaben intensiv und analytisch zu bearbeiten und eine sehr scharfe Auffassungsgabe zu haben – schütze dich vor Sturheit und zu engen Blickfeldern. „Schau auf deinem Weg auch mal nach den Blumen am Weg!“. Die Aussage ist am Ende die gleiche, die Energie eine komplett unterschiedliche. Welche der Varianten fühlt sich eher nach Rückenwind an?
Ein abschließender Gedanke
Ich merke, dass ich dieser Kritik in Sachen „Du sagst ja nur Gutes“ ein bisschen müde werde. Wie schade ist es eigentlich, dass wir so sehr auf die Schwächen fixiert sind und wie sehr stehen wir uns damit selbst im Weg?