Im letzten Blogartikel haben wir uns mit natürlich auftretenden Veränderungen im Gesicht beschäftigt. Nun soll es um die bewusst herbeigeführten Wandlungen gehen.
Auch hier neigt man vielleicht an der einen oder anderen Stelle dazu skeptisch zu fragen: Kann man das dann überhaupt noch lesen? Ist das noch repräsentativ? Doch wenn wir die Reise verfolgen, die das Gesicht unternommen hat vom Ausgangsmerkmal zum Wunschaussehen, gibt es in der Regel dazu auch ein Reisetagebuch seines Besitzers. Sprich: Oberflächlich gesehen hat sich nur das Äußere verändert. Im persönlichen Austausch wird aber meist sichtbar, dass damit der Wunsch einherging, die entsprechende Verhaltensweise, die hinter dem veränderten Merkmal steht, in die Persönlichkeit zu integrieren, eine neue Haltung einzunehmen oder eine gesellschaftlich besser ankommende Ausstrahlung zu besitzen.
Was Schönheitsoperationen über innere Wünsche verraten
Im Bereich der Schönheitsoperationen ist es spannend zu beobachten, dass sich die vorgenommenen „Anpassungen“ im Gesicht doch geschlechtsspezifisch sehr unterscheiden. Die häufigsten Eingriffe bei Männern dienen dazu die Kinn- und Kieferpartie markanter zu gestalten. Als Gesichtleser wissen wir: Hier geht es um mehr Durchsetzungsvermögen, Ausdauer und Kampfgeist. Frauen wiederum lassen sich Hinweise auf Dominanz und Führungsstärke häufig entfernen, z. B., indem sie ihre Nasen verkleinern oder begradigen lassen oder ihre Augenbrauen dünner zupfen. Stattdessen wird die Lippenfülle erhöht – was (emotionale) Ausdrucksstärke betont – oder Falten unterspritzt, die je nach Lage viel von durchlebten Emotionen und Gedankengängen erzählen.
Gesichtlesen mit Empathie statt Bewertung
In meinen Augen ist es gerade als Gesichtleser nicht unsere Aufgabe all diese Maßnahmen zu bewerten. Im Gegenteil: Wenn wir mit dem Blick der bedingungslosen Liebe schauen, sind wir doch höchstens dazu eingeladen, passende Fragen zu stellen, die unser Gegenüber einladen, mit sich selbst in tiefere Verbindung zu gehen: Was an dir lehnst du ab und warum? Welche Erfahrungen hast du mit diesem Anteil gemacht? Wenn er sprechen könnte – was würde er dir erzählen? Und wie kannst du ihn lieben lernen bzw. was brauchst du, um dich selbst annehmen zu können? Wie sehr beeinflusst der Wunsch nach Zugehörigkeit deine Entscheidungen? Und welche Wege gibt es, dich zugehörig zu fühlen neben der Durchführung kosmetischer Veränderungen?
Wenn Kinder kosmetisch verändert werden – ein sensibles Thema
Schwierig wird es, wenn diese kosmetischen Veränderungen an Kindern vorgenommen werden, die im Zweifel vielleicht noch gar nicht selbst entscheiden können, ob sich dies für sie stimmig anfühlt oder nicht. Der Klassiker hier ist das Ohrenanlegen. An dieser Stelle können wir aus dem Volksmund schöpfen: Während abstehende Lauscher zu kleinen Revoluzzern gehören, die es im besten Sinne „faustdick hinter den Ohren haben“, trägt das Anlegen ebendieser auf tieferer Ebene auch die Idee, das Contra abzuschwächen und „die Einordnung zu erleichtern“. Was aber passiert mit kleinen Seelen, die den Drang zur Revolution in sich tragen und diesen dann auf mehreren Ebenen nicht ausleben können?
Nicht selten übrigens lassen sich die Ohren solche Maßnahmen gar nicht gefallen und tanzen erneut aus der Reihe – man könnte sagen, sie bringen ein gesundes Selbstbewusstsein mit. 😉 Ein schöner Hinweis darauf, dass die Persönlichkeit sich ihren Weg sucht, trotz äußeren Eingreifens. Der innere Ausdruck drängt nach außen – auch über das Gesicht.
Was Frisuren und Bärte über persönliche Entwicklung verraten
Tatsächlich müssen wir aber gar nicht so weit gehen, uns mit Operationen zu beschäftigen, wenn wir uns der Interpretation von selbst veranlassten Veränderungen im Gesicht annähern wollen. Schon die (Um-)Gestaltung von Haarfarben, Frisuren und Bärten erzählt unglaublich viel darüber, wohin sich ein Mensch gern entwickeln möchte bzw. von was er sich mehr oder weniger wünscht in seinem Verhaltensrepertoire. Während rot gefärbte Haare vom Bedürfnis nach mehr Durchsetzungsstärke erzählen, entwickelt ein Mann, der seinen Drei-Tage-Bart zum Vollbart wachsen lässt, eher die Absicht, Abenteuerlust und Ich-Stärke für eine Weile hintenan zu stellen und sich stattdessen sehr fürsorglich um seine Nächsten zu kümmern – nur viel Persönliches zur Verfügung stellen wird er dabei nicht. Das Herauswachsen lassen eines Stirnponys wiederum erzählt uns, dass hier jemand, dem es bisher wichtig war, nicht zu viel von sich preiszugeben, bereit ist, mehr Stirn zu bieten und sich und seine Gedankengänge offener zu zeigen.
Fazit: Das Gesicht ist ein Ausdruck innerer Wahrheit
Unser Gesicht ist ein dynamisches System. Es reagiert auf unser Leben – und spricht Bände über unsere Erfahrungen, Sehnsüchte, Veränderungen. Ob natürlich oder kosmetisch verändert: Jedes Gesicht ist lesbar, weil es immer eine Geschichte erzählt – die Geschichte seiner Trägerin, seines Trägers. Die Kunst liegt nicht im Bewerten, sondern im Verstehen und liebevollen Spiegeln. Denn hinter jeder Veränderung steht ein Mensch auf der Suche nach Ausdruck, Zugehörigkeit und Selbstannahme.
Über dieses Thema haben sich Anne und Tobi auch intensiv in einer Faszination-Empathie-Folge ausgetausch. Seht selbst: